Wer die Wahl hat hat die Qual! Welche Richtung der Psychotherapie soll ich wählen? Was passt zu mir? Der folgende Guide soll Dir etwas Aufschluss bei Deiner Entscheidung geben. Vier PiA stellen hier ihre Vertiefungen vor.

Tiefenpsychologisch-fundierte Psychotherapie (TP)

Während der Schulzeit hatte ich eine engagierte Lehrerin, die uns unter anderem mit den Schriften von Sigmund Freud, Carl Gustav Jung, Alfred Adler und Erich Fromm bekannt machte. Wir lasen Fallbeispiele, erstellten Überlegungen zu möglichen Behandlungsansätzen und lernten vor allem, dass es nicht „die eine Lösung“, sondern verschiedene Blickwinkel auf das gleiche Problem geben kann. Ich startete also in mein Psychologiestudium an einer staatlichen Universität voller Erwartung, im Fachbereich klinische Psychologie angeregte Diskussionen über verschiedene psychotherapeutische Schulen zu führen. Bei uns beschränkten sich die Inhalte allerdings weitgehend auf die Verhaltenstherapie und psychodynamische Verfahren wurden als „unwissenschaftlich“ abgetan. Analog hierzu erlebte ich das Zerrissen Sein der Psychologie an staatlichen Universitäten zwischen der Identifikation als Natur- oder Geisteswissenschaft. Während ich an der Verhaltenstherapie die Klarheit und den Pragmatismus vieler Behandlungsansätze sehr zu schätzen weiß, sagte mir die psychodynamische Denkweise mehr zu, da ich das Gefühl bekam, ein tiefliegendes Verständnis des Erlebens der individuellen Patient*innen zu erhalten. Eine meiner Supervisorinnen fasste mein Verständnis der psychodynamischen Psychotherapie in meinen Augen wunderbar in dem Bild einer archäologischen Grabung zusammen: Man beginnt in einem abgesteckten Areal zunächst damit, an der Erdoberfläche behutsam mit dem Pinsel einzelne Teile freizulegen, um sehr langsam ein immer vollständigeres Bild zu erhalten. Dabei ist man der Auffassung, dass auch außerhalb des abgesteckten Rahmens oder in tieferen Erdschichten noch weitere Teile schlummern könnten. Gleichzeitig sollte man nicht mit einem gröberen Instrument als dem Pinsel vorgehen (wie etwa Hammer und Meißel oder einem Bagger), da das einzelne Teile zerstören könnte. Das damit beschriebene Zusammenspiel von bewussten und unbewussten seelischen Prozessen und dem Sichtbarwerden dieser Prozesse in der therapeutischen Beziehung faszinieren mich in der praktischen Arbeit jeden Tag aufs Neue. Bezogen auf meine Entscheidung hinsichtlich der Ausbildung stand ich also vor der Entscheidung: analytische Therapie oder TP? Hier hat bei mir dann der Pragmatismus gewonnen, da mir eine analytische Ausbildung aufgrund der hohen Kosten für die lange Selbsterfahrung schlicht zu teuer gewesen wäre und zu lange gedauert hätte. Gleichzeitig gibt es innerhalb der psychodynamischen Verfahren so viele Möglichkeiten der Weiterbildung, dass mein Wissensdurst immer wieder neue Nahrung bekommt.

Analytische Psychotherapie (AP)

…Hier suchen wir noch eine/n Autor*in, der/die sich bereit erklärt, einen Kurzbeitrag zu verfassen. Ebenso für die verklammerte Ausbildung TP/PA. Bei Interesse gerne per Mail bei uns melden (vorstand@piaforum.de).

Verhaltenstherapie (VT)

Zu meiner Entscheidung, mich in Verhaltenstherapie (VT) zu vertiefen, haben insbesondere zwei wesentliche Punkte beigetragen: Pragmatismus und Evidenzbasierung. Im Vergleich zu anderen Vertiefungen ist die VT-Ausbildung im Schnitt kostengünstiger und dauert in der Regel kürzer als zum Beispiel die TP-Ausbildung. Das war kein K.O.-Kriterium, passte jedoch zu meinem damaligen Lebensabschnitt sehr gut. Die VT ist außerdem empirisch gut untersucht. Das sagte mir zu, weil ich selbst die Ausbildung parallel zu meiner wissenschaftlichen Tätigkeit begann. Die Arbeit im Rahmen der VT konzentriert sich v.a. auf aktuelles Problemverhalten und auf die Fragestellung: Wie kann ich X verändern bzw. was kann ich tun, um eine Verbesserung meines jetzigen Zustandes zu erzielen? Innerhalb der Therapie ist es ein Ziel, nebst Muster aus der Biografie zu erkennen und ein Verständnis für die Störung zu entwickeln, dass Patient*innen Techniken erlernen, selber „Expert*innen“ ihrer Erkrankung zu werden, damit sie sowohl jetzt als auch in der Zukunft adäquater mit ihren Problemen umgehen können. Also quasi eine Hilfe zur Selbsthilfe. Dabei begrenzt sich die VT keinesfalls ausschließlich auf das von außen sichtbare Verhalten. Im Prinzip wird davon ausgegangen, dass Verhalten, Denkweisen und auch ein genereller Umgang mit Emotionen neu erlernt werden können. Dafür werden verschiedene Methoden angewandt, zum Beispiel das Identifizieren und Ändern dysfunktionaler Kognitionen (d.h. Gedanken, die in irgendeiner Weise einen negativen Einfluss auf das Gefühl oder Verhalten haben). Deshalb spricht man heutzutage oft auch von kognitiver Verhaltenstherapie. Vor meiner Ausbildung hatte ich aber auch Vorbehalte. Ist die VT evt. zu oberflächlich? Diese Bedenken habe ich heute nicht mehr. Je nach Patient*in, je nach individuellem Problem kann und muss bspw. die biografische Arbeit mehr Raum einnehmen. Es ist aber eben nicht bei allen geboten; und eben das ist es, was mich so fasziniert an der VT: Es gibt dir eine klare (evidenzbasierte) Struktur. Du kannst Manual Therapie machen, wenn das erwünscht ist. Gleichzeitig hast du eine gewisse Flexibilität und kannst dich ebenfalls neuerer Methoden (z.B. aus der 3. Welle) bedienen, diese beinhalten oft Elemente aus der achtsamkeitsbasierten Therapie, aber zum Beispiel auch schematherapeutische Elemente. Im Prinzip heißt die (K)VT jene Interventionen willkommen, für die es eine belegte Wirksamkeit gibt.

Systemische Psychotherapie (SYS)

Die Entscheidung für die Vertiefung in der Systemischen Therapie (ST) war bei mir vor allem eine Bauch-Entscheidung. Die Ausbildung ist von der Dauer und den Kosten am ehesten mit der Verhaltenstherapie (VT) zu vergleichen. Bis zur Anerkennung der Systemischen Therapie war ich mir nicht sicher, ob ich die Approbationsausbildung überhaupt machen möchte, da ich mich für kein anderes bis dahin anerkanntes Verfahren begeistert konnte. Mit der Anerkennung ist die Entscheidung für mich dann schnell klar gewesen. Seitdem gibt es immer mehr Institute, welche die Approbationsausbildung zum*r Systemischen Therapeut*in für Erwachsene oder Kinder und Jugendliche anbieten. Die Anerkennung für den Kinder und Jugend-Bereich steht noch aus. Neben der Einzeltherapie ist die Systemische Therapie vor allem auch für Paar-, Familien- oder andere Bezugssysteme geeignet, wobei wichtige Bezugspersonen nach Möglichkeit in den therapeutischen Prozess mit einbezogen werden. Die Systemische Arbeit ist somit nicht nur für Kliniken, sondern z.B. auch für Beratungsstellen und psychosoziale Zentren interessant. Für mich bietet die Systemische Sichtweise die Möglichkeit, meine persönliche Sichtweise meine Werte mit der Arbeit in der Therapie zu verknüpfen. Ich finde es wichtig Menschen als soziale Wesen in ihren jeweiligen Strukturen und im Kontext von Bezugspersonen zu verstehen. In der Therapie soll die dynamische Wechselwirkung von Verhaltensmustern verstanden werden. Darüber hinaus geht es um die Nützlichkeit von Verhalten und Erleben. Es wird also davon ausgegangen, dass Klient*innen gute Gründe dafür haben, sich auf eine bestimmte Art und Weise zu verhalten. Die therapeutische Haltung besteht dabei aus wertschätzender Neugier und Kommunikation auf Augenhöhe. Klient*innen sind somit von Beginn an Expert*innen für sich selbst und ihre Geschichte, während ich als Therapeutin Expertin für den Prozess und Rahmenbedingungen bin. Dafür gibt es eine „große Schatzkiste“ an systemischen Interventionen. Am entscheidendsten ist dabei, welche Methode am besten zu dem*der Klient*in passt. Interventionen und Methoden werden also weniger an Störungsbilder, sondern mehr an den Klient*innen und deren Anliegen orientiert. Darüber hinaus habe ich die Erfahrung gemacht, dass Systemiker*innen offen und integrativ mit anderen (auch noch nicht durch die Krankenkasse anerkannten) Verfahren umgehen, was ich für die Arbeit mit unterschiedlichen Klient*innen in verschiedenen Settings sehr schätze. In der Ausbildung soll es also vor allem darum gehen, einen bunten Blumenstrauß an therapeutischen Ideen zur Verfügung zu bekommen, aus dem man dann den eigenen therapeutischen Stil entwickeln kann.