Die Praktische Ausbildung (=ambulante Stunden)

In der zweiten Hälfte deiner Ausbildung steht der praktische Anteil im Vordergrund: mindestens 600 und maximal 800 ambulante Therapiesitzungen müssen erbracht werden. Die meisten Institute fordern als Voraussetzung hierfür eine vorläufige Behandlungserlaubnis, die du nach dem Absolvieren der Praktischen Tätigkeiten 1 und 2 (oder einem Großteil davon) sowie einer (meist mündlichen) Prüfung erhältst.

Supervision

Die ambulanten Sitzungen müssen im Verhältnis 1:4 supervidiert werden. Die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Psychologische Psychotherapeuten (PsychTh-AprV) schreibt vor, dass mindestens 50 Supervisionseinheiten im Einzel erbracht werden müssen (§4 Abs. 1). Bei Gruppensupervisionen wird die Redezeit deiner PiA-Kolleg*innen zum Teil angerechnet. Ob und wie viele Supervisionsstunden deine regulären Ausbildungsbeiträge beinhalten, hängt vom Institut ab. Stunden über dieses Inklusiv-Kontingent hinaus musst du selbst bezahlen, in der Regel ca. 80€ pro Einzelsupervision. 

Im Laufe deiner praktischen Ausbildung musst du mehrere Supervisor*innen kennenlernen, laut Gesetz mindestens drei verschiedene (§4 Abs. 2 PsychTh-AprV).

Alle Ausbildungsinstitute bieten zur intensiven Nachbereitung Videotechnik an. Deshalb solltest du deine Sitzungen immer aufzeichnen. Du kannst damit schwierige Situationen in Ruhe noch einmal anschauen oder in der Supervision analysieren.

Patienten-Rechte-Gesetz: Information, Aufklärung und Dokumentation

2013 hat der Gesetzgeber die Rechte der Patient*innen deutlich gestärkt. Im so genannten Patienten-Rechte-Gesetz (insbesondere §630 BGB) ist geregelt, worüber Behandler*innen ihre Patient*innen aufklären und informieren müssen. Dies dient dem Recht der Behandelten auf aktive Mitbestimmung; denn nur wer Bescheid weiß, kann auch fundierte Entscheidungen treffen.

Im Rahmen der Informationspflicht ist „der Behandelnde […] verpflichtet, dem Patienten in verständlicher Weise zu Beginn der Behandlung und, soweit erforderlich, in deren Verlauf sämtliche für die Behandlung wesentlichen Umstände zu erläutern, insbesondere die Diagnose, die voraussichtliche gesundheitliche Entwicklung, die Therapie und die zu und nach der Therapie zu ergreifenden Maßnahmen“ (§630, Abs. 2 BGB). Dies umfasst bei einer Psychotherapie in der Regel neben der Diagnose auch eine Einschätzung der Prognose oder die Aufklärung über das Ausfallhonorar.

Darüber hinaus musst du die Patient*innen über einige Punkte aufklären, zum Beispiel Art und Umfang der geplanten Therapie, das angewandte Verfahren, mögliche Risiken und Nebenwirkungen oder Behandlungsalternativen wie Psychopharmaka und Selbsthilfegruppen. Diese Aufklärung muss mündlich erfolgen und kann schriftlich dokumentiert werden (ein allgemeines Formblatt reicht also nicht).

Die Dokumentation der einzelnen Sitzungen kann digital oder analog erfolgen, muss in jedem Fall zeitnah und korrektursicher sein (=nachträgliche Änderungen müssen kenntlich gemacht werden und der ursprüngliche Wortlaut muss lesbar bleiben). Zu dokumentieren sind „sämtliche aus fachlicher Sicht für die Behandlung und eine künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse“. Hierzu gehören zum Beispiel die ausführliche Anamnese, Ergebnisse der Diagnostik, ergänzende Befunde, Interventionen und ihre Folgen, Angaben zu Selbst- und Fremdgefährdung sowie die oben genannten Informations- und Aufklärungspflichten. 

Ebenfalls gesetzlich geregelt ist der Behandlungsvertrag: Die Behandlung muss nach fachlich anerkannten Standards durchgeführt werden, Abweichungen davon sind schriftlich festzuhalten.

Das gesamte Merkblatt der Psychotherapeutenkammer Berlin zur Informations- und Aufklärungspflicht sowie zum Behandlungsvertrag findest du hier.

Wahrscheinlich stellt dein Ausbildungsinstitut Vordrucke und Checklisten für die Informations- und Aufklärungspflicht sowie die Sitzungsdokumentation zur Verfügung. An diese Vorlagen solltest du dich unbedingt halten.

Außerdem regelt das Patienten-Rechte-Gesetz die Einsichtnahme in die Patientenakte: Laut § 630g BGB ist “dem Patienten auf Verlangen unverzüglich Einsicht in die vollständige, ihn betreffende Patientenakte zu gewähren“, das heißt du solltest deine Dokumentation immer so formulieren, dass du sie im Zweifelsfall den Behandelten jederzeit zeigen könntest.

Berichtspflicht an den Hausarzt

§ 73 SGB V regelt die Pflicht der Fachärzt*innen (zu denen Psychotherapeut*innen gehören), den Hausärzt*innen relevante Behandlungsdaten und Befunde zu übermitteln. Wörtlich heißt es: „Die einen Versicherten behandelnden Leistungserbringer sind verpflichtet, den Versicherten nach dem von ihm gewählten Hausarzt zu fragen und diesem mit schriftlicher Einwilligung des Versicherten, die widerrufen werden kann, die in Satz 1 genannten Daten zum Zwecke der bei diesem durchzuführenden Dokumentation und der weiteren Behandlung zu übermitteln“. Wenn die Patient*innen dir keine Schweigepflichtentbindung ausstellen, darfst du natürlich keinen Bericht an andere Behandler*innen übermitteln. Auch hier stellt dein Ausbildungsinstitut sicher Vorlagen zur Verfügung.

Datenschutzgrundverordnung

Seit Mai 2018 gilt für Deutschland die von der EU verabschiedete Datenschutzgrundverordnung (DSGVO): Hier wird geregelt, wie mit den persönlichen Daten der Patient*innen umzugehen ist. Wann, wo und zu welchem Zweck Daten gespeichert und verarbeitet werden, muss transparent gemacht werden. Auch hier bist du verpflichtet, deine Patient*innen zu informieren und über ihre Rechte aufzuklären. In der Regel wird die Einwilligung auf einem Formblatt schriftlich festgehalten und in der Akte aufbewahrt. Dein Ausbildungsinstitut hat bestimmt eine Vorlage und einen festen Ablauf für diese Vorgänge. Weitere Informationen findest du in einem Vortrag der Psychotherapeutenkammer Berlin oder auf dem Merkblatt der Kassenärztlichen Bundesvereinigung.

In diesem Zusammenhang wird auch immer wieder über „sichere Kommunikation“ mit Patient*innen diskutiert. Die Psychotherapeutenkammer Berlin weist in dem oben genannten Vortrag (ab Seite 43) auch darauf hin, dass unverschlüsselte Kommunikation (betrifft eMail, Skype, SMS und WhatsApp) nicht zulässig ist. Dies gilt sowohl für Terminabsprachen als auch „sensible“ Daten wie Diagnosen oder Therapieempfehlungen. Du solltest unbedingt mit deinem Ausbildungsinstitut klären, welche Vorgaben dort gelten und dich daran halten. Im Zweifelsfall haften immer die Behandelnden.

Besonderheit: Anti-Suizid-Verträge

Gerade im Umgang mit psychiatrischen Patient*innen kommt es immer wieder vor, dass auch PiA mit Suizidgedanken oder auch konkreter Suizidplanung konfrontiert werden. Dies sind in der Regel die schwierigsten Momente der Ausbildung (und des späteren Berufslebens). Du solltest dich immer trauen, offen mit den Betroffenen und/oder Kolleg*innen über einen Verdacht auf Suizidalität zu sprechen. Außerdem ist es ratsam, zeitnah eine Supervision in Anspruch nehmen, wenn du dir irgendwie unsicher bist. Zur weiteren Unterstützung gibt es so genannte Anti-Suizid-Verträge, die zwar keine rechtliche Grundlage haben, aber zur Klärung der Situation beitrage können. Im Internet oder in deinem Ausbildungsinstitut findest du Vorlagen und Formulierungshilfen (zum Beispiel vom Springer-Verlag, hier auch eine kritische Auseinandersetzung). Es ist hilfreich, wenn Anti-Suizid-Verträge immer auch einen Notfallplan beinhalten, in dem geregelt ist, an wen sich der oder die Behandelte im Notfall wenden kann.

Kosten und Einnahmen der Ambulanzstunden

Obwohl die Krankenkassen die ambulanten Stunden beinahe regulär vergüten (ca. 108€ pro Sitzung), unterschiedet sich die Höhe der Vergütung enorm zwischen den einzelnen Instituten: zwischen 0€ und etwa 90€. In der Regel ist die Höhe des Honorars proportional zu deinen Monatsbeiträgen. Die Institute finanzieren sich über die Einnahmen aus der Ambulanz, das heißt niedrige Beiträge führen oft auch zu niedrigen Einnahmen und umgekehrt. Außerdem berechnen die Institute Pauschalen für Raumkosten und Verwaltung.

Die Vermittlung der Patient*innen läuft über das Büro der Ambulanz. In der Regel werden alle Patient*innen vorab von erfahrenen Psychotherapeut*innen gesehen, um die Indikation für eine Ausbildungstherapie zu klären.

Die Einnahmen aus der Ambulanz werden von den Krankenkassen quartalsweise bezahlt (also nur alle drei Monate rückwirkend). Du musst also oft die ersten vier bis fünf Monate der Ambulanzzeit finanziell überbrücken. Erfahrungsgemäß dauert es bei den meisten PiA fast ein Jahr, bis sie so viele Patient*innen in der regulären Behandlung haben, dass sie von den Einnahmen die laufenden Kosten bezahlen können.

Die Einnahmen aus den Ambulanzstunden sind voll steuerpflichtig, das heißt du musst den regulären Lohnsteuersatz bezahlen. Mehrwertsteuer (=Umsatzsteuer) fällt nicht an. Zudem musst du berufshaftpflicht versichert sein. Weitere Informationen dazu findest du auf unserer Homepage unter „Wissenswertes: Zahlen & Fakten / Rechte & Pflichten„.

Verlaufsdiagnostik

Manche Ausbildungsinstitute schreiben eine feste Verlaufsdiagnostik vor, andere lassen dir da freie Hand. Aber nicht nur um deine Umwandlungsanträge besser vorbereiten oder den Therapiefortschritt beobachten zu können, sondern auch für die Prüfungsfälle sind regelmäßige Erhebungen (Screenings oder diagnosespezifisch) empfehlenswert. Auch das schriftliche Festhalten der Therapieziele, zum Beispiel mit Hilfe einer Zielerreichungsskala, kann die Therapieplanung erleichtern und gerade innerhalb der Ausbildung helfen, die Übersicht zu behalten.

Räumlichkeiten

In vielen Ausbildungsinstituten herrscht leider auf Grund der großen Anzahl an PiA zu den Stoßzeiten ein klarer Raummangel. Gerade wenn du nebenbei berufstätig bist oder Kinder zu betreuen hast, kann das zu einem Problem werden. Als Ausweichlösung bieten viele Institute deshalb Außen- oder Lehrambulanzen an. Das sind Praxen von niedergelassenen Psychotherapeut*innen und/ oder Dozent*innen, die ihre Räume in freien Zeiten zur Verfügung stellen. Hier solltest du darauf achten, dass die Räume gut ausgestattet sind: mobile Kartenlesegeräte für die Krankenkassenkarten (elektronische Gesundheitskarten), Antragsformulare in ausreichender Anzahl, Videotechnik, Flipcharts und Stifte, Taschentücher, Gläser und Wasserspender, Laptops für die Dokumentation und Online-Raumbuchung, ein angenehmer Wartebereich, Notizzettel für Terminabsprachen.

Kombination mit KJP und Gruppentherapie

Wenn du während deiner Ausbildung bereits eine Zusatzqualifikation anstrebst (insbesondere bei Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie oder Gruppenpsychotherapie), kannst du dir einen Teil der dafür vorgesehenen Stunden auf deine 600 ambulanten Stunden anrechnen lassen. Dasselbe gilt für die Selbsterfahrung und die Theoriestunden. Die genauen Konditionen unterscheiden sich von Institut zu Institut und sollten speziell erfragt werden.